Teil I: ESC
Hurra! Deutschland hat also einen Superstar. Mal wieder, inzwischen ist es der vierte. Und direkt eine Woche nach diesem großartigen Ereignis wird die Macht wieder beim Volk liegen und ein europäischer Superstar (auf dem Niveau bestimmt Megastar) gekürt werden.
Am Montag begannen die Proben zum diesjährigen ESC, Donnerstag beginnt das "Halbfinale". Nein, ESC steht hier nicht nicht für Escape – auch wenn man bei einigen Teilnehmern vielleicht doch ernsthaft über Flucht nachdenkt – sondern für den großartigen Eurovision Song Contest, auch bekannt als Concours Eurovision de la Chanson, vormals Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne und davor noch ganz anders.
In diesem Teil I habe ich mir mal das Vergnügen gemacht, die Contestants in den diversen Plattformen einem akustischen – und soweit möglich – optischen Test zu unterziehen. Dabei habe ich ein interessant heterogenes Teilnehmerfeld gefunden, das meist den üblichen homogenen Einheitsbrei liefert. Das ist bekanntermaßen das Problem bei Mehrheitsentscheidungen – je größer die Anzahl der Individuen, desto vermanschter der Konsens, oder etwas akademischer ausgedrückt: Desto näher liegt die mehrheitsfähige Lösung an der des Medianwähler. Dennoch habe ich einige Beiträge gefunden, die – jetzt mal diplomatisch ausgedrückt – sehr individuell sind. Beispielsweise der israelische Beitrag, der möglicherweise so politisch motiviert ist, dass er noch vor Donnerstag disqualifiziert wird. Na gut, der Titel ist in seiner Darstellung schon sehr eigen, aber prinzipiell sollte es legitim sein, sein Anliegen musikalisch transportieren zu dürfen. Dennoch finde ich, dass eine Disqualifikation nicht der Verkehrteste wäre – allerdings nicht wegen unangemessener Äußerungen, sondern musikalischer Stümperei. Der zum Song gehörende Writer und Komponist ist übrigens seit mehreren Jahren extrem gut im Geschäft.
Dann gibt’s da noch den oder die ukrainische/n Interpreten/Interpretin Verka Serduchka, der/die/das mit "Dancing Lasha Tumbai" antritt. Das Ganze mit Alien-Gedankenlese-Abwehr-Hut aus Alufolie und einem hochgradig lyrischen Text, was insgesamt stark an Stefan Raabs "Wadde hadde dude da" erinnert, bloß dass dieses Mal vollständige deutsch- und anderssprachige Wörter (meist die Zahlen eins, zwei und sieben, ab und an auch noch die Drei) gebildet werden. Kostprobe gibt’s hier. Auf seiner eigenen Website bezeichnet er/sie/es sich übrigens treffenderweise als MegaStar.
Überhaupt – seitdem die Nummer mit dem Transvestiten einmal funktioniert hat – und damit meine ich nicht Daniel Küblböck - wird’s ja immer wieder gerne versucht. Dieses Jahr sogar gleich mindestens zweimal - der Sänger des dänischen Titels könnte direkt aus dem Lady-Marmelade-Video von Pink & Co gebeamt worden sein, die schwedischen Protagonisten kommen augenscheinlich direkt aus Frank'n'Furters Transsilvanien, singen aber leider nicht annähernd so gut.
Aber es gibt auch Positives zu berichten, denn einige Köche haben ganz ausgezeichneten Einheitsbrei aufgetischt, der auch gar nicht so einheitsgrau ist: Die finnische Superstar-Gewinnerin von 2004 (anders als deutsche Superstar-Kollegen für diverse Titel inzwischen mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichnet) ist mit "Leave Me Alone" wieder eine potentiellen Gewinnerin, für Karolina Gočeva (Mazedonien) bedeutet Musik die Welt – "Mojot Svet", was für sie sicherlich auch einen der vorderen Plätze bedeutet, sollte sie in ihrer Landessprache singen und somit den Großteil der Zuhörer in gnädiger Unkenntnis über die englische Bedeutung ihrer Worte lassen. Natalia Barbu hat mit "Fight" einen ähnlich guten Rock-Titel für Moldawien im Gepäck, ebenfalls hörenswert sind die Beiträge aus Ungarn, Zypern, Island und Polen, wobei letztere auf eine Mischung von Rap und Stilelementen der 20er Jahre setzen – ein Mix, in dem ersterer eher stört. UK setzt konsequent auf Union-Jack-Transporte per Plastic-Bubblegum-Pop à la Banaroo mit Wortwitz und einem Schuss Patriotismus, was leider nur in der ersten Minute des Songs funktioniert, dafür entschädigt – wenigstens halbwegs – eine ausgefeilte Saftschubsen-Choreografie und der abschließende Dank, sich das Ganze angehört zu haben.
Dann gibt es noch eine Reihe von Titeln, die recht solide & gut gemacht, aber eben nicht besonders sind und daher wohl auch nicht ganz vorne landen werden und jene, auf die "Idee gut, Ausführung schlecht" zutrifft. Beispielsweise haben Todomondo in "Liubi Liubi I Love You" sechs Sänger für sechs Strophen in sechs Sprachen. Leider akustisch nicht genießbar. Die serbische Teilnehmerin Marija Šerifović hat mit Molitva einen wirklich tollen Titel und liefert eine gesangliche Bestleistung ab. Da aber in Zeiten von Farbfernsehen und HDTV Auge auch mithört sind ihre Gesamtchancen wohl eher nicht so berauschend.
Und was bedeutet das alles? Probably nothing. Es wird alles sein wie immer: Thomas Herrmanns wird callen und 12 Points an die Türkei verteilen, während backstage Champagner verköstigt wird und Millionen Menschen am Fernseher mitfiebern und hochrechnen. Es wird jemand gewinnen, den niemand als Sieger erwartet oder Transvestit ist; nachher weiß natürlich jeder um die musikalische Brillanz desjenigen und hat "natürlich für ihn gevoted!"
Mir fällt gerade auf, dass ich "unseren" von Frauen regierten Roger Cicero noch gar nicht erwähnt habe. Da der als Big-Four-Kandidat sowieso fürs Finale gesetzt ist und mit der Qualifikationsrunde nichts zu tun hat, mach ich das auch erst beim nächsten Mal.
Am Montag begannen die Proben zum diesjährigen ESC, Donnerstag beginnt das "Halbfinale". Nein, ESC steht hier nicht nicht für Escape – auch wenn man bei einigen Teilnehmern vielleicht doch ernsthaft über Flucht nachdenkt – sondern für den großartigen Eurovision Song Contest, auch bekannt als Concours Eurovision de la Chanson, vormals Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne und davor noch ganz anders.
In diesem Teil I habe ich mir mal das Vergnügen gemacht, die Contestants in den diversen Plattformen einem akustischen – und soweit möglich – optischen Test zu unterziehen. Dabei habe ich ein interessant heterogenes Teilnehmerfeld gefunden, das meist den üblichen homogenen Einheitsbrei liefert. Das ist bekanntermaßen das Problem bei Mehrheitsentscheidungen – je größer die Anzahl der Individuen, desto vermanschter der Konsens, oder etwas akademischer ausgedrückt: Desto näher liegt die mehrheitsfähige Lösung an der des Medianwähler. Dennoch habe ich einige Beiträge gefunden, die – jetzt mal diplomatisch ausgedrückt – sehr individuell sind. Beispielsweise der israelische Beitrag, der möglicherweise so politisch motiviert ist, dass er noch vor Donnerstag disqualifiziert wird. Na gut, der Titel ist in seiner Darstellung schon sehr eigen, aber prinzipiell sollte es legitim sein, sein Anliegen musikalisch transportieren zu dürfen. Dennoch finde ich, dass eine Disqualifikation nicht der Verkehrteste wäre – allerdings nicht wegen unangemessener Äußerungen, sondern musikalischer Stümperei. Der zum Song gehörende Writer und Komponist ist übrigens seit mehreren Jahren extrem gut im Geschäft.
Dann gibt’s da noch den oder die ukrainische/n Interpreten/Interpretin Verka Serduchka, der/die/das mit "Dancing Lasha Tumbai" antritt. Das Ganze mit Alien-Gedankenlese-Abwehr-Hut aus Alufolie und einem hochgradig lyrischen Text, was insgesamt stark an Stefan Raabs "Wadde hadde dude da" erinnert, bloß dass dieses Mal vollständige deutsch- und anderssprachige Wörter (meist die Zahlen eins, zwei und sieben, ab und an auch noch die Drei) gebildet werden. Kostprobe gibt’s hier. Auf seiner eigenen Website bezeichnet er/sie/es sich übrigens treffenderweise als MegaStar.
Überhaupt – seitdem die Nummer mit dem Transvestiten einmal funktioniert hat – und damit meine ich nicht Daniel Küblböck - wird’s ja immer wieder gerne versucht. Dieses Jahr sogar gleich mindestens zweimal - der Sänger des dänischen Titels könnte direkt aus dem Lady-Marmelade-Video von Pink & Co gebeamt worden sein, die schwedischen Protagonisten kommen augenscheinlich direkt aus Frank'n'Furters Transsilvanien, singen aber leider nicht annähernd so gut.
Aber es gibt auch Positives zu berichten, denn einige Köche haben ganz ausgezeichneten Einheitsbrei aufgetischt, der auch gar nicht so einheitsgrau ist: Die finnische Superstar-Gewinnerin von 2004 (anders als deutsche Superstar-Kollegen für diverse Titel inzwischen mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichnet) ist mit "Leave Me Alone" wieder eine potentiellen Gewinnerin, für Karolina Gočeva (Mazedonien) bedeutet Musik die Welt – "Mojot Svet", was für sie sicherlich auch einen der vorderen Plätze bedeutet, sollte sie in ihrer Landessprache singen und somit den Großteil der Zuhörer in gnädiger Unkenntnis über die englische Bedeutung ihrer Worte lassen. Natalia Barbu hat mit "Fight" einen ähnlich guten Rock-Titel für Moldawien im Gepäck, ebenfalls hörenswert sind die Beiträge aus Ungarn, Zypern, Island und Polen, wobei letztere auf eine Mischung von Rap und Stilelementen der 20er Jahre setzen – ein Mix, in dem ersterer eher stört. UK setzt konsequent auf Union-Jack-Transporte per Plastic-Bubblegum-Pop à la Banaroo mit Wortwitz und einem Schuss Patriotismus, was leider nur in der ersten Minute des Songs funktioniert, dafür entschädigt – wenigstens halbwegs – eine ausgefeilte Saftschubsen-Choreografie und der abschließende Dank, sich das Ganze angehört zu haben.
Dann gibt es noch eine Reihe von Titeln, die recht solide & gut gemacht, aber eben nicht besonders sind und daher wohl auch nicht ganz vorne landen werden und jene, auf die "Idee gut, Ausführung schlecht" zutrifft. Beispielsweise haben Todomondo in "Liubi Liubi I Love You" sechs Sänger für sechs Strophen in sechs Sprachen. Leider akustisch nicht genießbar. Die serbische Teilnehmerin Marija Šerifović hat mit Molitva einen wirklich tollen Titel und liefert eine gesangliche Bestleistung ab. Da aber in Zeiten von Farbfernsehen und HDTV Auge auch mithört sind ihre Gesamtchancen wohl eher nicht so berauschend.
Und was bedeutet das alles? Probably nothing. Es wird alles sein wie immer: Thomas Herrmanns wird callen und 12 Points an die Türkei verteilen, während backstage Champagner verköstigt wird und Millionen Menschen am Fernseher mitfiebern und hochrechnen. Es wird jemand gewinnen, den niemand als Sieger erwartet oder Transvestit ist; nachher weiß natürlich jeder um die musikalische Brillanz desjenigen und hat "natürlich für ihn gevoted!"
Mir fällt gerade auf, dass ich "unseren" von Frauen regierten Roger Cicero noch gar nicht erwähnt habe. Da der als Big-Four-Kandidat sowieso fürs Finale gesetzt ist und mit der Qualifikationsrunde nichts zu tun hat, mach ich das auch erst beim nächsten Mal.
Leif.Teil - 9. Mai, 23:15